Also sitze ich unmotiviert am Macbook, als es plötzlich vor der Tür klappert. Natürlich, der Herr Kater. Dem ist es wohl auch zu nass draussen, denke ich. Missmutig raffe ich mich auf, gehe zur Tür und sehe zuerst ein paar rot-weisse Pfoten und dann den dazugehörigen Rest, wie er im Dunklen im Regen sitzt und wartet.
Aber etwas ist anders. Etwas stimmt nicht.
Normalerweise schaut mich beim Gang zur Tür schon ein nervöses, lauerndes Paar Augen an, die Schnauze zu einem tonlosen Miauen geöffnet, welches ich durch die Glasscheibe nicht höre. Diesmal jedoch sitzt er regungslos in der Nacht, schwach angestrahlt vom Licht des Wohnzimmers, und starrt nur stumm geradeaus.
Ich öffne die Tür und sage "Na, Dicker, willste nicht reinkommen? Scheiss Wetter draussen!"
Aber anstatt in das warme, trockene Wohnzimmer zu schlüpfen, schaut er mich unverwandt an, wendet seinen Blick ab und fixiert einen Punkt auf dem Boden. Und da liegt sie dann, noch handwarm und vom Regen durchnässt, eine graubraune Ratte - mausetot. Der Nager ist nicht ganz so stattlich wie die anderen zuvor, aber das erste Mal bringt er seine Beute zu uns und nicht zu den Nachbarn.
Ich bin mächtig stolz.
"Das hast du aber fein gemacht!", sage ich mit alberner Babystimme und er freut sich so sehr über meine Anerkennung, dass er sich vor lauter Übermut auf den leblosen Körper stürzt und selbigen noch einmal mit Schmackes in die Luft wirft. Ein nasses Klatschen ist zu hören, als der Kadaver auf dem Boden aufschlägt. Jetzt schlängelt er sich durch die geöffnete Tür und geht mir um die Beine, die Schnauze ordentlich dreckverschmiert.
Draussen regnet es derweil fröhlich weiter und der Kater, normalerweise rot, jetzt durch die Nässe dunkelbraun, schaut mich auffordernd an. Ich soll gefälligst leidenschaftlicher seinen Jagderfolg preisen!
Naja, meinetwegen. Während ich weiter ehrfürchtige Lobpreisungen mit Fistelstimme zum Besten gebe und der Kater sich in der Anerkennung suhlt wie eine Rotte Wildschweine im Dreck des umgewühlten Parks hinter unserem Anwesen, denke ich darüber nach, was ich jetzt mit dem toten Beuteltier anfange. Am Besten gleich aufsammeln und in die Tonne werfen. Bevor es anfängt zu riechen.
Der Kater streicht jetzt auch um die Pfoten des Hundes, der durch das Getümmel angelockt, verunsichert durch die Tür in die Nacht hinaus blickt.
Ich nehme den Kater noch einmal genauer in Augenschein. Er leckt sich genüsslich die Schnauze, die Brust vor Stolz geschwollen, jedoch ist ausser Dreck und Sand nichts zu entdecken. Jedenfalls kein Blut.
Okay, sage ich. Hilft ja nichts.
Tatsächlich ist der Nager noch warm, die Totenstarre noch ein paar Stunden entfernt. Das hier ist Frischware, so viel steht fest. Ich wedele mit der Ratte ein wenig vor Jurijs Nase herum, aber sein Interesse nimmt jetzt merklich ab.
Die ist schon tot, die macht jetzt auch keinen Spass mehr, gibt er mir zu verstehen.
Äusserlich ist die Ratte unversehrt. Die Augen sind etwas geöffnet, aber man könnte meinen, sie hält ein Nickerchen - nirgends ist eine Wunde zu entdecken. Sie hat nicht einmal im Augenblick des Todes den Darm entleert, wie man es vermuten würde, im Angesicht des Todes, wenn ein mordlustiger Kater aus dem Nichts auftaucht. Nichts - wie schon bei den drei Ratten zuvor. Offenkundig ist der feine Herr ein eins-A abgebrühter Killer, mit einer ganz ausgezeichneten Technik.
Sein Beuteschema hat sich im letzten halben Jahr etwas verändert. Mäuse sind ihm scheinbar die Mühe nicht mehr wert. Es muss schon eine Spur größer sein.
Ich warte jetzt darauf, dass er uns aus dem Park eins der Wildschweine anschleppt. Die Zeit ist reif dafür.
Samstag, 25. September 2010
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