Samstag, 21. Mai 2011

Das Leben und der Tod liegen dicht beieinander

Irgendwann 1984 oder 85 spazierten er und ich durch den Grunewald, unweit des Grunewaldsees, gemeinsam mit Bobby, dem Cockerspaniel. Damals, kurz vor dem Ende jener Zeit, als ich jedes zweite Wochenende bei meinen Großeltern übernachten musste, an der Schwelle einer Epoche, als mit Einsetzen der Pubertät die eigene Familie einem suspekt wird, fragte ich immer wieder nach dem Krieg und seinen Erlebnissen während dieser Zeit.
Ich erinnere mich, dass die meisten Geschichten einen beinahe humoresken Touch hatten und in seinen Erzählungen über jene Zeit von 1943 - 1945 so gut wie nie jemand starb. Aber je älter ich wurde umso bohrender und kritischer wurden auch meine Nachfragen und irgendwann wurden die Schilderungen vermutlich authentischer, weniger schön gefärbt - irgendwann ging es dann eben auch um den Tod, wenn auch eher nebenbei.
Damals, mit 12 oder 13 Jahren, war in meinen Vorstellungen jeder Soldat des zweiten Weltkriegs - also auch mein Großvater -  ein erwachsener Mann, und erst viel später, als ich vielleicht 25 oder 30 Jahre alt war, begriff ich, dass es alles Kinder gewesen waren, mit ihren 18 Lebensjahren, die da in die Welt geschickt und den unvorstellbarsten Albträumen und Abgründen des menschlichen Wesens ausgeliefert wurden. In seinen Erzählungen lagen plötzlich das Leben und der Tod manchmal nur Sekundenbruchteile auseinander. Auch wenn er sich weigerte, Details zu nennen, auf die ich ganz wild war, so begriff ich doch irgendwo in mir drin etwas von der Grausamkeit und Endgültigkeit dessen, was er erlebt hatte.
Ich hatte bestenfalls eine wage Vorstellung davon, dass diese Menschen so jung starben, dass sie alles verpassen sollten, wofür man in diese Welt geboren wird. Und so fragte ich ihn an diesem einen Vormittag, ob er damals oder heute an ein Leben nach dem Tod glauben würde.
"Da ist nichts, daran glaube ich nicht. Wenn es vorbei ist, ist es vorbei"
Er sagte das sehr bestimmt, ohne jeden Zweifel und seit diesem Vormittag hatte ich mir seine Einstellung zueigen gemacht.
Da ist nichts. Punkt.

Nun, wenn da doch etwas sein sollte, dann weiß er seit kurzer Zeit mehr darüber als ich.

6 Kommentare:

  1. Das tut mir leid für Sie und Ihre Familie.

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  2. Es ist seltsam. Nach 16 Monaten war es fast eine Erlösung. Es fühlt sich nur seltsam an, es so zu sehen. Aber das alles hatte ja nirgendwo mehr hingeführt. Oder vielmehr: Es gab ja schon lange keine Hoffnung mehr auf Besserung.

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  3. Entschuldigung, dass ich nicht mehr reagiert habe... ich hatte die Antwort hier nicht gesehen.

    Wie geht es Ihnen und Ihrer Familie zur Zeit ?

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  4. Gut, danke der Nachfrage. Wissen Sie, es klingt wie eine Floskel, aber das Leben geht tatsächlich weiter. Sogar für Oma. Sie hält sich wacker, muss man sagen und man kann das auch ruhig ein wenig bewundern.

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  5. Ich habe bzw. hatte bei meinen Großeltern oder den älteren Familienmitgliedern (die den Krieg erlebten oder in den Jahren nach dem Krieg aufgewachsen sind) immer das Gefühl, dass sie nach Todesfällen oder Schicksalsschlägen leichter auf Alltag "umschalten" konnten. Da wurde Trauer nicht offen gezeigt, sondern man hat das im stillen Kämmerlein mit sich ausgemacht - aber nicht weniger liebevoll der Verstorbenen gedacht.

    Jedenfalls scheint der normale Alltag der beste Trost zu sein.

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  6. ... und vielleicht finden Sie ja wieder mal Zeit und Lust, etwas zu schreiben ?

    Die Haare vom "Wutzwerg" dürften doch mittlerweile nach mit-dem-Waschlappen-Drübergehen noch vieeeel flauschiger sein ? :-)

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